Die vorliegende Rechtssache betrifft ein Investitionsstreitverfahren zwischen der zyprischen Gesellschaft [P] Holdings Limited („[P]“) und dem Staat Libyen in Bezug auf eine 2006 erlassene Enteignungsmaßnahme betreffend ein Milch- und Fruchtsaftwerk in Libyen. [P] wandte sich zunächst an die libyschen Gerichte, welche zwar am 13. April 2010 die Expropriationsanordnung aufhoben, jedoch am 14. Februar 2014 eine Entschädigungsklage abwiesen.
Da [P] hierin eine Verletzung des bilateralen Investitionsschutzabkommens zwischen Zypern und Libyen vom 30. Juni 2004 (TBI) sah, leitete sie am 3. Juli 2014 ein ICC-Schiedsverfahren ein. Mit Teilschiedsspruch vom 28. Juni 2016 bejahte das Schiedsgericht seine Zuständigkeit und stellte fest, dass die sog. „fork-in-the-road“-Klausel (Art. 9 TBI) nicht als unüberwindbares Zustimmungserfordernis auszulegen sei. In seinem Endschiedsspruch vom 25. Mai 2018 verurteilte das Schiedsgericht Libyen zur Zahlung von u.a. 18 225 000 EUR Schadenersatz sowie weiterer Beträge, da mehrere Verpflichtungen aus dem TBI verletzt worden seien. Am 9. Dezember 2022 beantragte Libyen vor dem Pariser Berufungsgericht die Aufhebung beider Schiedssprüche.
Libyen rügte, die „fork-in-the-road“-Regelung verbiete es [P], nach Anrufung der libyschen Gerichte zusätzlich ein Schiedsverfahren einzuleiten. Dies berühre die Einwilligung in die Schiedsgerichtsbarkeit („consent“) und damit die Zuständigkeit des Schiedsgerichts (compétence ratione voluntatis). Der Schiedsspruch sei daher nach Art. 1520 Abs. 1 der französischen Zivilprozessordnung aufzuheben.
Das Berufungsgericht wies den Aufhebungsantrag ab und führte aus, dass eine etwaige „fork-in-the-road“-Bestimmung hier keinen Einfluss auf die Frage der Zuständigkeit des Schiedsgerichts habe, sondern lediglich eine Einrede der Unzulässigkeit sei. Demzufolge begründe sie keinen Annulierungsgrund i.S.v. Art. 1520 ZPO, sodass der Schiedsspruch Bestand habe.
Nach französischem Schiedsrecht dürfen staatliche Gerichte den Schiedsspruch nicht inhaltlich („révision au fond“) überprüfen, sondern lediglich die Gültigkeit und den Umfang der Schiedsvereinbarung kontrollieren. Diese Beschränkung bewahrt die Entscheidungshoheit des Schiedsgerichts. Im Ergebnis bestätigte das Pariser Berufungsgericht somit den Teilschiedsspruch vom 28. Juni 2016 und wies den gesamten Aufhebungsantrag Libyens zurück.
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