Die Rechtssache betrifft ein Investitionsstreitverfahren zwischen der ukrainischen Bank „Oschadbank“ und der Russischen Föderation („Russland“), das auf dem bilateralen Investitionsschutzvertrag („BIT“) zwischen Russland und der Ukraine vom 27. November 1998 beruht. Oschadbank machte geltend, ihre Vermögenswerte auf der Halbinsel Krim seien durch angeblich völkerrechtswidrige Maßnahmen Russlands (insbesondere eine „Enteignung“) betroffen und reichte ein Schiedsverfahren ein.
Obwohl Russland das Verfahren anfänglich bestritt und insbesondere seine Nicht-Teilnahme ankündigte, setzte das Schiedsgericht das Verfahren fort und erklärte sich im November 2018 für zuständig. Es stellte fest, dass Russland gegen die Enteignungsbestimmung des BIT (Artikel 5(1)) verstoßen habe, und verurteilte Russland zur Zahlung einer Entschädigung.
Am 9. Dezember 2018 focht Russland den Schiedsspruch vor dem Pariser Berufungsgericht an („recours en annulation“) und berief sich dabei auf mehrere Annulierungsmotive gemäß Artikel 1520 der französischen Zivilprozessordnung. Die wichtigsten Einwände betrafen die angeblich fehlende Zuständigkeit ratione loci und ratione materiae des Schiedsgerichts, eine angebliche „fraude procédurale“ seitens Oschadbank sowie eine mangelnde Unabhängigkeit oder Impartialität eines Schiedsrichters.
Das Schiedsgericht hatte in seiner Endentscheidung vom 26. November 2018 die Zuständigkeit bestätigt, indem es feststellte, dass die Krim als maßgeblicher „territorialer Anknüpfungspunkt“ für Investitionsstreitigkeiten im Sinne des BIT zu behandeln sei, und Oschadbank als geschützten „Investor“ im Sinne desselben Vertrags qualifiziert. Es verurteilte Russland wegen einer unrechtmäßigen Expropriation und sprach Oschadbank Schadensersatz sowie Kostenerstattungen zu.
Russland machte vor dem Pariser Berufungsgericht geltend, dem Schiedsgericht fehle es an Kompetenz, weil ein Streit über die territoriale Souveränität der Krim bestehe und weil die angeblich vor 1992 getätigten Investments gar nicht „ausländisch“ seien. Zudem rügte Russland eine Verletzung des ordre public international durch angebliche „fraude procédurale“ sowie eine unzureichende Prüfung oder Voreingenommenheit des Schiedsgerichts.
Russland argumentierte, die Krim sei kein von Russland anerkannter „ausländischer“ Teil, sodass eine Zustimmungs- und Territorialfrage offenbleibe. Ferner verstoße das Verfahren gegen die Voraussetzung der Gegenseitigkeit („réciprocité“) und Russland dürfe sich nicht durch eine angeblich erzwungene Anerkennung der Souveränität selbst belasten. In Bezug auf den Zeitpunkt des Investments (1991/1992) sei die vertragliche Definition von „Auslandsinvestitionen“ nicht erfüllt.
Russland warf Oschadbank vor, Dokumente bewusst zurückgehalten oder verzerrt zu haben, um das Arbitragegericht über das wahre Datum der Investition zu täuschen. Diese angebliche „fraude procédurale“ sollte zur Nichtigerklärung des Schiedsspruchs führen.
Russland stellte auch die Unabhängigkeit eines Schiedsrichters in Frage. Dieser habe sich nach Erlass des Schiedsspruchs als „amicus curiae“ in einer anderen Rechtssache gegen Russland engagiert, was die Vermutung einer Parteilichkeit nahelege.
Das Pariser Berufungsgericht wies alle Einwände zurück. Insbesondere stellte es fest:
Zur Kompetenz (ratione loci und materiae): Der Investitionsschutz sei im BIT durchaus auf die Krim anwendbar, und die Frage der zeitlichen Entstehung der Vermögenswerte stelle keine Bedingung für die Zuständigkeit dar. Ein möglicher Territorialstreit über die Krim berühre nicht die Zuständigkeit des Schiedsgerichts, da hier nur die Anwendung des BIT untersucht werde.
Keine „fraude procédurale“: Es fehle an Nachweisen, dass Oschadbank den Schiedsrichtern absichtlich entscheidungserhebliche Dokumente verschwiegen habe. Zudem habe das Schiedsgericht ersichtlich auf die fehlende Bedeutung der ursprünglichen Datierung des Investments abgestellt.
Zu Unabhängigkeit/Voreingenommenheit: Die spätere Tätigkeit eines Schiedsrichters als amicus curiae in einem anderen Verfahren belege nicht rückwirkend eine Parteilichkeit. Die zeitlichen Umstände und der fehlende sachliche Zusammenhang mit dem vorliegenden Streit schlossen jeden Zweifel aus.
Infolgedessen erklärte das Berufungsgericht den Schiedsspruch für wirksam und gewährte ihm das gesetzliche Exequatur.
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